„Jean Claude Juncker dementiert ein Alkoholproblem während eines Interviews, in dem er vier Gläser Champagner trinkt“. So titelte vor ein paar Tagen der TELEGRAPH und bezog sich dabei auf ein Interview des EU-Kommissionspräsidenten mit der französischen Zeitung LIBÉRATION. Na dann – Prost.
Ist Juncker also Alkoholiker? Oder nicht? Vier Gläser Champagner sind natürlich kein Beweis für eine Alkoholkrankheit. Wir kennen das: Wenn’s lustig ist und passt, dann trinken wir halt einen oder zwei oder mehr – und sind deswegen noch lange nicht auf Lebenszeit dem Alkohol verfallen.
Aber was die Medien darstellen, ist eben nicht unser ganzes Leben, sondern nur ein kleiner Ausschnitt daraus: ein Bild, das eine bestimmte Wirkung auf das Publikum erzeugt. Die Botschaft entsteht bei den Empfängern und Empfängerinnen – das wissen wir seit weiland Friedemann Schulz von Thun, und die Medien sind ein Musterbeispiel für diesen Satz.
Wenn Jean Claude Juncker während eines Interviews vier Gläser Champagner trinkt, dann erzeugt er in den Köpfen der Konsumierenden von Medien einen Eindruck. Dieser Eindruck könnte heißen: Der hat’s gerade lustig, oder: Dem ist gerade nach Feiern, oder eben auch: Wau, der kann saufen.
Letzterer Eindruck könnte sich bei jenen verfestigen, die nicht ganz unvoreingenommen sind. Jean Claude Juncker kämpft schon seit mehreren Jahren gegen den Verdacht, dem Alkohol zugetan zu sein. Der Verdacht wird durch einigermaßen skurrile Auftritte wie den folgenden noch zusätzlich genährt:
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, konterkariert Juncker seine eigene Aussage im Interview durch das Bild, das er dem Publikum vermittelt.
Im Medientraining nennen wir den Vorgang, der dahinter steckt, „Etikettierung“. Ein Etikett ist ein Bild, das mit ganz bestimmten Assoziationen verknüpft ist. Eine Rolex steht zum Beispiel für Reichtum, da kann man machen, was man will. Ihr Publikum bewertet das, was es sieht, in gleichem Maße wie das, was es hört, und zieht seine eigenen Schlüsse daraus.
Wenn Sie im TV-Interview für eisernes Sparen plädieren und dabei vor den Augen Ihres Publikums mit der Rolex herumfuchteln, können Ihre Argumente noch so durchdacht sein – sie werden wie Herr Juncker ein Problem bekommen.
- Autor:
- Stefan Schimmel
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