In der Tat ist Claudia Bandion-Ortner letzte Woche vielfach kritisiert worden. Andreas Schieder wunderte sich über die „inhaltliche Blödheit“, Amnesty International-Generalsekretär Heinz Patzelt sprach von einem „handfesten Menschenrechtsskandal“, und das Grazer Oberlandesgericht ermittelt wegen Verharmlosung der Todesstrafe. Im Justizministerium diskutiert man, ob sie als Richterin je wieder wird arbeiten können.
Was wir hier vor uns haben, ist eine übereilte, unüberlegte Reaktion auf die höchst provokant formulierte Frage der Journalistin: "Was sagen Sie dazu, dass in Saudi-Arabien jeden Freitag nach dem Nachmittagsgebet öffentliche Hinrichtungen mit dem Krummsäbel stattfinden?" Diese Frage, besser gesagt, die bewusst dramatische Darstellung der freitäglichen Hinrichtungen, zielte nicht nur darauf ab, dieses schreckliche Ritual, sondern auch die Moral der ehemaligen Justizministerin in Frage zu stellen.
Die viel kritisierte Antwort Bandion-Ortners zeigt meines Erachtens zwei Fehler:
Erstens: Die mangelnde Vorbereitung im Sinne eines Wordings für eine zu 100 Prozent erwartbare Frage. Das ist unprofessionell. Denn Antworten auf kritische Fragen parat zu haben, die auf der Hand liegen, sollte Standard sein. Q&A-Sheets sind ein klassisches Instrument zur Vorbereitung von Interviews und sollten eine Selbstverständlichkeit darstellen.
Zweitens: Frau Bandion-Ortner begegnete der vorherrschenden Meinung ihrer Zielgruppe gegenüber der Todesstrafe weder in der Expertinnenrolle (Richterin), noch in der Rolle der Interessenvertreterin der Organisation, für die sie arbeitet (das von Saudi-Arabien gesponserte Abdullah-Zentrum, Anm.). Als Expertin hätte sie die Aufgabe, Sachverhalte zu klären, Thesen aufzustellen und Konsequenzen aufzuzeigen, als Interessenvertreterin, Positionen und Haltungen ihres Arbeitgebers deutlich zu machen.
Einblick geben erzeugt Vertrauen
An dieser Stelle ein kleiner, aber wichtiger Exkurs. In Österreich wurde die Todesstrafe 1950 abgeschafft – und übrigens bis zu diesem Jahr auch tatsächlich noch vollstreckt. In den letzten 60 Nachkriegsjahren hat sich allerdings in ganz Europa die Überzeugung breit gemacht, dass diese Form der Strafe eine Verletzung der Menschenrechte sei. Sie gilt als verpönt und moralisch verwerflich.
Wäre Frau Bandion-Ortner ihrer Interviewerin, Christa Zöchling vom PROFIL, nicht auf den Leim gegangen und sich ihrer Rolle als Expertin bewusst gewesen, hätte sie einbringen können, dass Gesetze organisch aus der Geschichte und der Kultur eines Landes erwachsen – und deshalb Veränderungen lange Prozesse brauchen. Sogar in den USA, wo die Todesstrafe immer mehr Kritik findet, geht diese Änderung nicht von heute auf morgen vor sich.
So hätte sie einen tieferen Einblick in die Hintergründe geben können, welcher einer vorherrschenden Meinung Fachkundiger durch Wissen begegnet wäre. Als Interessenvertreterin hätte sie so gleichzeitig durchklingen lassen, dass sie mit der jetzigen Situation nicht einverstanden ist, ohne offene Kritik am eigenen Arbeitgeber zu üben. Im Gegenteil: Sie hätte den Versuch, Verständnis erzeugen zu wollen, gegenüber ihrer Organisation nachweisen können.
Einer Meinung oder Erfahrung durch Beschwichtigung oder Bagatellisierung zu begegnen, ist allerdings ein grober Fehler.
- Autor:
- Stefan Wagner
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