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Was bewegt die Welt?

In dieser Sammlung finden Sie nicht die Martin Luther Kings, J. F. Kennedys oder Barack Obamas dieser Welt (obwohl, Letzteren auch). Sie finden andere, zum Beispiel Barbra Streisand, Mark Twain oder Albert Einstein. Sie finden die Pakistanerin Malala Youzafzai, die im Alter von 14 Jahren einen Anschlag erlitt, weil sie für das Recht der Mädchen auf Schulbildung kämpfte. Ach ja, und statt „Ich bin ein Berliner“ finden Sie „Ich bin ein Afrikaner“ – eine Rede, die der spätere südafrikanische Präsident Thabo Mbeki hielt, als in seinem Land die aktuelle Verfassung verabschiedet wurde.

Kurator der Sammlung ist Shaun Usher, der mit dem Vorgängerwerk „Letters of Note“ („Briefe, die die Welt bedeuten“) vor einigen Jahren einen absoluten Hit landete. Ich erwähne das hier besonders, weil das Konzept in „Speeches of Note“ dasselbe geblieben ist: Es geht darum, Beispiele zu würdigen, wo Worte ihr Publikum in vorzüglicher Weise zu berühren vermochten.

Früher sammelte Usher Briefe, jetzt sammelt er eben Reden, und zwar solche, die „in besonderem Maße aufklärend, spannend, tröstlich, alarmierend, erfreulich oder ermutigend“ wirkten. Und wir können bei der Lektüre unsere Schlüsse ziehen: Was ist die Klammer? Der gemeinsame Nenner? Welche Prinzipien lassen sich definieren, die all diese Reden auf ihre Zuhörerinnen und Zuhörer so besonders wirken ließen?


Auch was vorher passiert ist, wirkt

Ich greife hier ein Prinzip heraus, das mit Hilfe dieser Sammlung ganz besonders deutlich wird. Es ist deshalb interessant, weil wir im rhetorischen Alltag gerne darauf vergessen: Das ist die Autorität, die eine Rednerin oder ein Redner aus ihrer allgemein sichtbaren Erfahrung in Bezug auf das Thema schöpft. Die Autorität, die er oder sie von vorneherein zur Rede mitbringt.

  • Malala Youzafzai war bei ihrer Rede vor den Vereinten Nationen in New York besonders glaubwürdig, weil sie selbst vorher ein Opfer ihres Anliegens geworden war.
  • Als die iranische Filmemacherin Shirin Neshat 2014 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos davon sprach, wie wichtig es sei, die Freiheit der Kunst zu schützen, war sie besonders glaubwürdig, weil sie selbst vorher aus dem Iran geflüchtet und also heimatlos war.
  • Eine Grabrede wie die des kanadischen Premiers Justin Trudeau ist immer dann besonders glaubwürdig, wenn es um eine verwandtschaftliche Beziehung geht; der Verstorbene war sein Vater, und das ist der Trauergemeinde vorher bekannt.

Wenn Sie selbst ein lebendiges Beispiel für das in der Rede verhandelte Thema sind, wirken Sie auf Ihr Publikum, bevor Sie noch das erste Wort gesprochen haben. Natürlich werden Sie nicht immer dermaßen augenscheinliche Erfahrungen zu bieten haben wie in den drei oben beschriebenen Fällen. Aber die Grundfrage, die hinter diesem Prinzip steckt, ist immer dieselbe:

 

In wie fern bin ich persönlich prädestiniert, vor meinem Publikum zum Thema X zu sprechen?


Wenn Ihrem Publikum Ihre persönliche Verbindung zum Thema nicht bekannt ist, dann klären Sie es auf und beantworten Sie diese Grundfrage. Ihre Autorität wird wesentlich wachsen.

 

Shaun Usher, Speeches of Note. Heyne 2019

 

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