Die diesjährige Oscar-Verleihung soll mäßig spannend gewesen sein. Ich war nicht dabei – aber wenn’s fad war, dann mag das vielleicht daran liegen, dass sich dieses Jahr ein einziger Film ganz besonders vordrängte, damit sind Überraschungsmomente selten. Aber einen Moment gab es dann doch: Faye Dunaway verkündete brühwarm den falschen Film als „Best Picture“. Und das ist spannend, denn auf einem Podium und vor laufenden Kameras kann es eigentlich kaum ein größeres und peinlicheres Hoppala geben. Das Thema ist also: Umgang mit Pannen im TV-Auftritt.
Aber zuerst einmal, und weil es so schön ist: Verfolgen Sie mit mir gemeinsam die Ereignisse, die zur Panne führten.
Faye Dunaway und Warren Beatty treten vor das Mikrophon, um den besten Film des Jahres zu verkünden. Beatty öffnet das berühmte, rote Kouvert. Trommelwirbel. „And the Academy Award for best picture goes to …“ Hier zögert Beatty und sieht noch einmal auf die Karte, die er aus dem Kouvert gezogen hat. Der Mann möchte wohl den Moment der Spannung ein bisschen auskosten. Das hat er schließlich gelernt.
Noch einmal Trommelwirbel. Schließlich hält es Dunaway nicht mehr aus, sie reißt ihrem Kollegen die Karte aus der Hand und flötet „La La Land“ ins Mikrophon. Großer finaler Trommelwirbel, bombastische Musik (viele Geigen), Applaus und Kreischen im Auditorium. Alle, die den Preis gewonnen haben, fallen einander schluchzend in die Arme.
Die ganze Crew geht auf die Bühne. Der Produzent Jordan Horowitz nimmt die Statue entgegen und schwingt sich zu seiner melodramatischen Dankesrede auf. Dann reden auch noch der zweite Produzent Marc Platt und der Regisseur Damien Chazelle. Während der Reden entsteht Gerenne im Hintergrund. Alles wird plötzlich ein bisschen chaotisch. Es wird viel getuschelt auf der Bühne. Dann wirft sich Horowitz in die Bresche und verkündet großmütig: „Da gibt es einen Fehler; nicht wir sind die Gewinner, sondern ‚Moonlight‘. Das ist kein Scherz.“ Dann hört man noch Beatty im Hintergrund: „Ich habe die falsche Karte gelesen.“
Oje. Ein Irrtum sorgt für das meiste Aufsehen. Blamable Panne bei den Oscars. Wie konnte es nur zu diesen Oscar-Pannen kommen? So titelten am nächsten Tag die Zeitungen, und ich zitiere hier nur die deutschsprachigen.
Rettung à la Hollywood
Im Medientraining würden wir jetzt von einer Krise sprechen. Bloß dass es in einer Live-Situation kaum mehr als ein paar Sekunden Zeit gibt, um sie zu lösen.
Also weiter im Text: Horowitz hält eine Karte in die Kameras, auf der groß „Moonlight“ zu lesen ist. Man hört auf der Bühne „I’m sorry“, wobei nicht ganz klar ist, wer das sagt. Aber es tut gut, das zu hören. Der Host der Show, Jimmy Kimmel, tritt zum Mikrophon: „Das sind sehr unglückliche Umstände.“ Horowitz wirft sich in Pose: „Ich wäre stolz, meinen Freunden von Moonlight den Oskar zu überreichen.“
Auftritt wieder Warren Beatty, dem Jimmy Kimmel von der Seite mit gespielter Entrüstung zuruft: „Was hast du angestellt?“ Beatty: „Ich möchte Ihnen sagen, was passiert ist. Ich habe das Kouvert geöffnet, und da war zu lesen: Emma Stone, La La Land. Deshalb habe ich so lange auf die Karte gesehen. Ich wollte eigentlich gar nicht witzig sein. Moonlight ist der Gewinner!“ Kreischen im Publikum, und the Show went on.
Pannen bewältigen im Live-Interview
Das ist alles ein bisschen Kabarett. Und viel Show. Aber ich habe Ihnen die Rettungsversuche à la Hollywood ausführlich zum Besten gegeben, weil diese Herr- und Damschaften natürlich ihr Handwerk verstehen. Und weil Sie daraus für Ihren TV-Auftritt ein paar wichtige Schlüsse darüber ziehen können, was im Falle einer Panne zu tun ist.
- Richtigstellen: Sagen Sie, was in Wahrheit Sache ist, und zwar möglichst plausibel.
- Fehler erklären: Erklären Sie kurz, wie es zu dem Fehler kam – zumindest so viel, wie Sie wissen.
- Entschuldigen? Müssen Sie nicht unbedingt. Das musste das Kollegium in Hollywood, weil sie einige Personen, die um den Preis kandidierten, in eine unangenehme Situation gebracht hatten. Entschuldigen Sie sich nur dann, wenn nicht nur Sie selbst, sondern auch andere Menschen durch Ihre Fehlleistung zu Schaden kommen.
Und sollen Sie sich selbst auf die Schaufel nehmen? Immer gerne, dies weckt die Sympathie des Publikums. Aber geben Sie Acht: Verhalten Sie sich angemessen zur Situation. Die Oskar-Verleihung ist pure Unterhaltung. Wenn Sie aber von der Presse vorgeladen sind und schwer unter Beschuss stehen, steht es Ihnen besser, sachlich zu reagieren.
- Autor:
- Stefan Schimmel
- Foto:
- ...oops? von jasmeet auf Flickr.