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Pinocchio im Interview

Was verleiht Zahlen Überzeugungskraft?

Fast 1 Million deutsche Männer besuchen eine Prostituierte – pro Tag.

Im nächsten Jahrzehnt wird fast die Hälfte aller Jobs durch die künstliche Intelligenz vernichtet.

Beeindruckende Zahlen, oder? Aber stimmen sie auch? Die ZEIT hat in einem Kommentar Ende April („Lügen nach Zahlen“, leider nur im Abo, aber es zahlt sich aus!) ein bisschen tiefer gegraben – und herausgefunden, dass viele Zahlen, die wir aus der täglichen Berichterstattung kennen, irreführend verwendet worden sind und einer näheren Überprüfung kaum standhalten.

Was die Männer und ihren Besuch bei den Prostituierten betrifft, geht die Zahl auf Alice Schwarzer zurück, die vor ein paar Jahren in einer Kampagne gegen Prostitution die Zahl von 700.000 Prostituierten in Deutschland kolportierte. Daumen mal Pi gerechnet würden dann ca. 1 Mio. Männer pro Tag zu einer Prostituierten gehen.

Die Zahl ist eine Schätzung, niemand hat in Deutschland jemals eine ernsthafte Studie dazu gemacht. Auch was die Jobaussichten betrifft, basiert die Zahl auf einer Hochrechnung von Experten der Oxford-University, die zunächst 70 Berufe einschätzten und diese Grund-Annahmen dann auf ca. 700 Berufe ausweiteten.

In beiden Fällen steht die große Aufregung auf einigermaßen wackligen Beinen. Und das sind keine Einzelfälle. Jedes Mal, wenn in den Medien eine pointierte Aussage getroffen wird, können wir als Konsumierende davon ausgehen, dass auch die damit zusammenhängenden Zahlen zugespitzt worden sind. Und damit nicht unbedingt auf seriöser Basis stehen. Dazu die ZEIT:

Eine Zahl kann vieles. Sie kann Angst machen oder beschwichtigen. Offenlegen oder verschleiern. Dramatisieren oder verharmlosen. Eines aber kann sie nicht: Sie kann nicht ausdrücken, wie vertrauenswürdig sie ist.

Was bedeutet das für Sie? Natürlich, dass Sie als Kundschaft nicht alles für objektive Münze nehmen sollen, was in den Medien kolportiert wird. Aber das ist jetzt ein alter Hut, und hier ist auch kein Medienpädagogik-, sondern ein Medientrainings-Magazin.

Also: Medien leben von Sensationen, deshalb werden sich im Journalismus Arbeitende natürlich freuen, wenn Sie ihnen beeindruckende Zahlen anbieten. Aber bedenken Sie: Was beeindruckend klingt, erzeugt v. a. langfristig noch kein Vertrauen. Eine Zahl wird vertrauenswürdig erst durch den Kontext, also:

  • Wie kam die Zahl zustande?
  • Wer wurde befragt?
  • Gibt es andere Informationen, die auf ihre Plausibilität hindeuten?

Bedenken Sie also den Kontext mit, wenn Sie das nächste Mal ein Interview geben.

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