Vor 60 Jahren wurde ich dem Elend, der Verzweiflung, dem Tod überantwortet. Dennoch hoffe ich, Sie glauben mir, dass ich zu Ihnen ohne Hass und Bitterkeit spreche. Mein ganzes Erwachsenenleben lang habe ich versucht, Worte zu finden, die den Hass bekämpfen, aufspüren, entwaffnen – nicht ihn verbreiten.
Am Samstag ist der Nobelpreisträger, Holocaust-Überlebende und Aktivist Elie Wiesel in New York gestorben. In diesen Tagen wird immer wieder an eine besondere Rede erinnert, die er im Jahr 2000 im Deutschen Bundestag gehalten hat; darin ragte vor allem eine besondere Passage heraus:
Nun ist der Fall des Elie Wiesel natürlich extrem, aber prinzipiell gilt für jeden einzelnen von uns: Für viele große und tiefe Ressentiments gibt es nachvollziehbare Gründe. Brexit-Befürworter haben zum Beispiel ihre Gründe, über den „Moloch Brüssel“ wütend zu sein. Brexit-Gegner haben ihre Gründe, über die „Lügen der Leave-Kampagne“ wütend zu sein.
Auch im Berufsleben ist es so: Jeder und jede von uns hat seine und ihre Gründe, über Widrigkeiten wütend zu sein, die uns gute Ideen klauen oder schöne Projekte zunichtemachen, die uns Visionen zerstören oder persönlich diskreditieren.
Aber gerade Elie Wiesel ist ein schönes Beispiel dafür, dass wir immer die Wahl haben: Wir können in der Kommunikation das Ressentiment an die Verursachenden zurückspielen, wir können zurückschießen. Oder wir können die Stimme der Vernunft sprechen lassen und über Lösungen sprechen, die im Sinne aller Beteiligten optimal sind.
Was Menschen wirklich inspiriert, sind andere Menschen, denen es gelingt, mit schlimmen Widrigkeiten positiv umzugehen. Sie erinnern sich sicher an den französische Journalisten Antoine Leiris, der beim Attentat auf das Pariser Lokal Bataclan seine Frau verlor und Tags darauf den Mördern auf Twitter schrieb: „Meinen Hass, den werdet ihr nicht bekommen.“
Das können wir von Menschen wie Elie Wiesel oder Antoine Leiris lernen: dass wir in schwierigen Zeiten nicht über unsere Ressentiments reden, sondern über vernünftige Lösungen.
- Autor:
- Stefan Schimmel
- Foto:
- Pixabay.