Wer von Ihnen öfter Fußball konsumiert, kennt sie sicher: Die Interviews kurz vor Beginn eines Spiels, bei denen inmitten der ganzen Spannung und Aufregung der Fans über den Ausgang die Trainer der beiden Mannschaften nach ihrer Taktik und ihrer Einschätzung der Lage gefragt werden. Das Interview, das der SKY-Reporter Thomas Trukesitz kurz vor einer Partie des SK Sturm Graz gegen den SKN St. Pölten mit Nestor El Maestro führte, war eines davon.
Und Letzterer fand es, wie gesagt, mühsam.
Aber ganz entgegen dem, was seine Worte vermuten lassen, war der Trainer gar nicht sauer. Er hat auch nicht grundsätzlich etwas gegen Journalisten. Er erklärte gelassen, mit fast stoischer Miene, dass ihn diese Termine deshalb stören würden, weil sie ihn immer viel Kraft kosten: „Ich bin immer froh, wenn diese Interviews vorbei sind. Zehn Minuten vor dem Spiel sitze ich lieber in der Kabine bei meinen Spielern.“
Das zeugt von einer Führungskraft, die sich nicht verstecken, sondern ihrem Team nahe sein will, wenn der Wettkampf losgeht. Der die Motivation ihrer Mitarbeiter am Herzen liegt. Plausible Erklärung also. Und Nestor El Maestro hat hier ein Mittel angewandt, das wir in unseren Medientrainings gerne weitergeben: die „Bewertung der Frage“ als Basis für die Darstellung der eigenen Inhalte oder der eigenen Meinung.
Dabei können Sie die Frage des Journalisten oder der Journalistin übrigens positiv oder negativ bewerten: „Diese Frage ist mühsam, spannend, irrelevant, zielführend, geht am Problem vorbei, trifft genau den Punkt …“ Wie auch immer, Sie können dabei jenen Begriff verwenden, den Sie jeweils für richtig halten. Sie müssen für Ihre Bewertung nur eine plausible Begründung nachliefern – dann wird das Publikum Sie nicht als unhöflich, sondern als kompetent und glaubwürdig wahrnehmen.
El Maestro - der Name als Programm?
Aber ich möchte Sie an dieser Stelle auf einen weiteren Aspekt dieses Interviews hinweisen: Nämlich die trockene und unumwundene Art und Weise dieses Mannes, sich auszudrücken. Der ist nicht nur bei diesem Interview so, sondern grundsätzlich und immer. Das klingt dann ungefähr so: „Wir freuen uns alle sehr. Ich auch ein bisschen.“ Oder: „Wissen Sie: Ich bin ein kleiner Trainer, und vielleicht braucht ein kleiner Trainer große Spieler für die großen Spiele.“ Oder: „Wenn man deutlich verloren hat, ist es immer besser, die Fresse zu halten.“ Der Sender SKY hat in einem Sport-Talk Anfang des Monats ein Medley dieser und ähnlicher Aussagen von Nestor El Maestro zusammengestellt:
Das alles klingt im ersten Moment nach einer Person, die ihr Licht wesentlich unter den Scheffel stellt und in diesem Punkt ein bisschen an sich arbeiten sollte. Aber ich möchte Sie hier auf ein rhetorisches Stilmittel hinweisen, das man in England sehr gut kennt, es heißt: Understatement.
Ist ja alles nicht so tragisch!
Understatement bedeutet, dass man sich weniger dramatisch ausdrückt, als es die Situation eigentlich erwarten lassen würde. Ein Musterbeispiel ist die Anekdote, dass His Royal Highness, der Prinz William Arthur Philipp Louis, Duke of Cambridge und Zweiter in der Thronfolge des britischen Königshauses (vulgo Prinz William), nach seiner Führerscheinprüfung einen VW Golf geschenkt bekam.
Mein persönliches Lieblingsbeispiel ist die Dankesrede des berühmten Alfred Hitchcock, der bei der Oskar-Gala des Jahres 1968 den Irving Thalberg Memorial Award erhielt. Wenn Sie den Clip ansehen, vergessen Sie nicht, dass Hitchcock bis heute als unumstrittener Meister des Suspense, des gepflegten Spannungsaufbaus gilt. Sein von bombastischer Musik begleiteter Auftritt steigert die Erwartung bis zu dem Punkt, an dem er das Wort ergreift. Sehen Sie selbst (und haben Sie ein bisschen Geduld mit der Anmoderation):
Noch mehr untertreiben geht eigentlich nicht. Aber Hitchcock wusste, dass das Zurückhalten von Effekten beim Publikum mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit generiert wie das Zur-Schau-Stellen, bzw. das Auftrumpfen. Und auch Nestor El Maestro, der seit ca. einem halben Jahr in Österreich arbeitet und erst diese kurze Zeitlang in der hiesigen Öffentlichkeit steht, ist bereits jetzt für diese Zurückhaltung, diese Trockenheit und entwaffnende Ehrlichkeit bekannt – und geschätzt.
Wenn Sie regelmäßig in Medien repräsentiert sind und sich überlegen, wie Sie am liebsten auf Ihr Publikum wirken möchten, sind diese Eigenschaft und ihre Pflege sicher eine Überlegung wert. Dabei, und wie Sie Understatement wirkungsvoll einsetzen, helfen wir Ihnen natürlich gerne, zum Beispiel in unserem Image-Management-Training.
- Autor:
- Stefan Schimmel
- Foto:
- Pixabay.