Vor zwei Wochen, am 30. 5. 2018, gegen 7.45, in der Sendung „Good Morning Britain“ auf ITV. Der Verteidigungsminister Gavin Williamson wird aus einem Safaripark in Worcestershire zugeschaltet. Thema des Interviews: Britische Truppen sollen nach Malawi entsandt werden, um dort den Kampf gegen Wilderer zu unterstützen. So weit, so Morgenfernsehen.
Aber dann bringt der Host Richard Madeley ein anderes Thema aufs Tapet: „Go away and shut up!“ Mit diesen rustikalen Worten hatte Williamson den Abzug der russischen Diplomaten aus Großbritannien im Zuge der Affäre um den Doppelagenten Sergej Skripal kommentiert. Was Madeley jetzt zu der Frage veranlasst: „Bereuen Sie diesen Ausspruch? Finden Sie nicht, dass er ein wenig zu leger war?“
Williamson antwortet, er wolle sich vor allem beim Krankenhauspersonal bedanken. Es habe einen grausamen Angriff auf britischem Boden gegeben. Großbritannien sei geeint angesichts dieses Giftanschlags, usw. … Nach dem dritten Anlauf kontert Madeley: „Sie werden also auf meine Frage nicht antworten? Gut, dann ist das Interview hiermit beendet.“ Der Minister wird ausgeblendet, und der Moderator fragt seine Co-Moderatorin: „Wie sind diese Politiker bloß drauf?“
Die Pros und die Cons
Richard Madeley selbst argumentiert, er habe die Taktik der Verschleierung und des Ausweichens auf Seiten der interviewten Personen satt. Abbruch nach drei Fehlversuchen, diese Regel stellt er für Medien in den Raum. Charles Moore vom DAILY TELEGRAPH entgegnet, dass sich Journalistinnen und Journalisten unter umgekehrten Vorzeichen denselben Vorwurf gefallen lassen müssten. Der Ausspruch des Ministers war zum Zeitpunkt der Frage immerhin bereits zwei Monate alt – warum also jetzt aus heiterem Himmel diese Frage? Auch Medien müssten zulassen, dass man die Sinnhaftigkeit ihrer Fragen auf den Prüfstand stellt.
Wie immer im Leben gibt es natürlich auch hier nicht nur Schwarz oder nur Weiß. Medien sind der Suche nach der Wahrheit verpflichtet, und jede interviewende Person, die etwas auf sich hält, wird auf Ausweichversuche grantig reagieren. Dasselbe gilt für die Seite der Konsumentinnen und Konsumenten: Ich persönlich kenne kaum einen Menschen, der sich nicht über „diese schwadronierenden Politiker“ ärgern würden, „die wie immer die Fragen nicht beantworten“.
Aber wo bleiben die Interviewten in diesem Spiel?
Müssen Sie sich der Macht der Menschen, die Ihnen die Fragen stellen, hilflos ausliefern? – Natürlich müssen Sie das nicht. Alle Tools, die Sie zum Steuern eines Interviews in Ihrem Koffer haben, setzen Sie instand, sich gegen Machtmissbrauch zur Wehr zu setzen. Das ist Ihr gutes Recht. Aber Sie sollen sich in der betreffenden Situation trotzdem konstruktiv verhalten. Und Sie sollen dabei das Vertrauen nicht verspielen, das Sie bei Ihrem Publikum genießen.
Wenn Sie also einmal ausweichen, achten Sie besonders auf Ihre Antworten. Herr Williamson hat den Moderator deshalb verärgert, weil sein Angebot dermaßen nichtssagend war. Geben Sie also kein Blabla von sich, sondern nützliche und spannende Fakten, die für Ihre Zielgruppe von Interesse sind. Und ja: So etwas muss man natürlich vorbereiten. Aber dann wird man von Ihnen auch nicht denken, Sie seien „ein Politiker, der wie immer die Fragen nicht beantwortet“.
PS. Wenn wir schon von Problemen der Medienkommunikation reden: Sind Ihnen die Elefanten im Hintergrund des Fernsehbildes aufgefallen?
- Autor:
- Stefan Schimmel