Queens Speech: Als Elizabeth II. am 21. Juni 2017 mit ihrer traditionellen Thronrede die britische Legislaturperiode eröffnete, trug sie ein azurblaues Kostüm, einen azurblauen Hut und darauf ebenso azurblaue Blüten mit gelben Applikationen. Die Twitter-Community fühlte sich vehement an die EU-Flagge erinnert, Beobachter bemerkten außerdem, dass die Königin an diesem Tag ganz deutlich von ihrem üblichen Outfit abwich: Sonst trägt sie bei diesem Anlass immer ihre Krone und eine feierliche Robe.
Das britische Königshaus ist politisch immer neutral, egal was passiert. Sollte das auch beim Brexit so sein? Das musste doch ein verstecktes Bekenntnis für den Verbleib Großbritanniens in der EU sein! Oder?
Umso interessanter sind Hintergrundinformationen aus berufenem, glaubwürdigem Mund. Angela Kelly, die Schneiderin der Königin, hat jetzt ein Buch geschrieben („The Other Side of the Coin: The Queen, the Dresser and the Wardrobe“), in dem sie auch auf diese Causa der königlichen Garderobe zu sprechen kommt. „Es war ein Zufall – aber Junge, der hat viel Aufmerksamkeit bekommen, das hat uns wirklich zum Grinsen gebracht.“, schreibt Frau Kelly in dem Buch; sie hätte beim Gestalten nicht an die EU-Flagge gedacht, sondern daran, dass sich das Outfit der Königin farblich vom Hintergrund abhebt. Das ist plausibel: Azurblau ist vor den verschiedenen, ehrwürdigen Brauntönen des britischen Parlaments gar keine so schlechte Idee.
Wirkung der Worte, Wirkung der Ausstattung
Was wir an diesem Beispiel schön sehen, kennen all jene unter Ihnen, die sich mit Kommunikationstheorie beschäftigen, sicher zur Genüge: Die Botschaft entsteht nicht mit der Absicht der Senderin, sondern in der Wahrnehmung des Empfängers. Wenn das Publikum im königlichen Kostüm mehrheitlich eine Anspielung auf die EU-Flagge vermutete, dies aber hinter den Kulissen gar nicht die Absicht war, dann war das ein Fehler, Punkt.
Ihre guten Absichten nützen Ihnen im TV-Studio also nichts – sie müssen auch gekonnt umgesetzt sein.
Aber ich möchte Sie auf noch einen Gedanken hinweisen, der in den meisten Reaktionen auf das Outfit der Queen eine wichtige Rolle spielte: Das kann kein Zufall sein! Diesen Vorgang finde ich bemerkenswert: Alle Beobachterinnen und Kommentatoren gingen von dieser Annahme aus, ohne sie überprüft zu haben. Dies deswegen, weil dahinter ein wichtiges Naturgesetz der menschlichen Wahrnehmung steckt: In einem Bild gibt es für das Publikum nichts Zufälliges. Alles wird wahrgenommen, und alles wird ausgewertet, auch wenn es auf den ersten Blick noch so unscheinbar sein mag.
Das ist zum Beispiel der Grund, warum den Fans der britischen Royals unlängst auffiel, dass die Queen in ihrem Empfangsraum im Buckingham Palace ein Foto von Harry und Meghan entfernt hatte. Sind Meghan und Harry jetzt in Ungnade gefallen?, fragten prompt die Medien. Dabei war dieses Foto in der TV-Berichterstattung nur abseits der Haupthandlung (wenn die Queen ihre Gäste empfing) und unscheinbar im Hintergrund zu sehen gewesen.
Auch hier sehen Sie die standhafte Weigerung des Publikums, an einen Zufall zu glauben.
Alles in einem Raum, auch das weniger Auffällige im Hintergrund, hat in der Auffassung der Zuseher und Zuseherinnen eine Bedeutung. Und wenn die Menschen dann von den handelnden Personen keine Erklärung geliefert bekommen, stellen sie eben selbst Vermutungen an. Ist es, weil Harry und Willam sich streiten? Oder weil sich Meghan in ihrem herzoglichen Leben unwohl fühlt? Gibt es jetzt eine Krise im Königshaus? Oder? Den Vermutungen und Phantasien sind Tür und Tor geöffnet.
Denken Sie daran, wenn Sie Kameraleute eines Senders bei sich im Büro zum Interview empfangen, oder wenn Sie eine Pressekonferenz geben: Nicht nur was Sie sagen, sondern auch wie der Raum aussieht, hat für das Publikum eine Bedeutung.
- Autor:
- Stefan Schimmel
- Foto:
- Pixabay.