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Von Schoßhunden, Hyänen und Watchdogs: Florian Klenk bei Intomedia

Vor einem Publikum ausgewählter Intomedia-Kund:innen gab Falter-Chefredakteur Florian Klenk im Rahmen der Intomedia Insight Lounge tiefe Einblicke in seinen journalistischen Zugang und den tagtäglichen Herausforderungen investigativer Journalist:innen.

Grundverschiedene Typen von Journalist:innen

Der Vortrag startete mit Klenks wahrgenommenen journalistischen Rollenbildern in der österreichischen Medienlandschaft. Anders als journalistische “Schoßhunde” und “Hyänen”, die die Haus- und Hofberichterstattung für die Mächtigen erledigen bzw. denen die Empathie und die Zeit für Informant:innen und Opferschutz fehle, ist es die Aufgabe von Watchdogs, gesellschaftliche Missstände und die erzählte Wahrheit zu hinterfragen.

Das Problem: eine solche Arbeitsweise benötigt große Mengen an Recherchezeit und vor allem Geld. Ressourcen, die Medienunternehmen in Zeiten von Digitalisierung und schnelllebigen Informationshäppchen immer weniger zur Verfügung stehen. Sie setzen vermehrt auf Daily-News-Journalismus, Nachrichten werden schnell und relativ unkritisch veröffentlicht, sobald die Story bei ihnen eingetroffen ist. Wohl auch der eigenen Biographie und dem Werdegang geschuldet, fokussierte sich Florian Klenk in seinen Ausführungen auf die Berufsgruppe der journalistischen Watchdogs.

Was macht investigativen Journalismus aus?

Das Misstrauen gegenüber der (offiziellen) Nachrichtenquelle ist laut Klenk das wichtigste Merkmal des investigativen Journalisten. Denn die Glaubwürdigkeit der Quelle hängt im Unterschied zum tagesaktuellen Journalismus nicht vom Rang der Quelle, sondern von deren Wahrheitsgehalt ab.

Investigative Journalist:innen suchen so viele Quellen wie möglich, nicht zuletzt, um Unwahrheiten und Lügen ihrer bereits herangezogenen Quellen aufzudecken. Ziele und Motivation investigativer Journalist:innen sind dabei immer subjektiv. Aber: Alle Fakten müssen aber einer Überprüfung standhalten, sie müssen „wahr“ sein. Damit steht oder fällt eine Geschichte und auch das Medium, das hinter der Veröffentlichung der Story steht.

Das Besondere am investigativen Journalismus ist laut Florian Klenk aber nicht nur das Handwerk und die Arbeitsweise. Auch die Erzählform ist eine grundverschiedene: Investigative Geschichten haben immer Held:innen, Bösewichte und ein Narrativ, das ihnen zugrunde liegt.

Die 7 Schritte der investigativen Arbeitsweise

Im letzten Teil seines Vortrags führte der Chefredakteur des Falter die Teilnehmer:innen Schritt für Schritt durch den investigativen Arbeitsprozess.

Schritt 1: Alles beginnt mit einer These

Hier kommt das subjektive Element investigativer Arbeit zum Vorschein, denn jeder und jede Journalist:in sieht Missstände, unter denen Menschen leiden oder eine Fehlfunktion staatlicher Verwaltung, den Bedarf von Reformen in einem anderen gesellschaftlich Bereich. Die Entscheidung für oder gegen eine Geschichte ist also immer eine persönliche.

Schritt 2: Erste Informationssuche

Zunächst gilt es, Fakten und Zahlen zu recherchieren. Dazu kann sich ein klassischer Lokalaugenschein genauso eignen wie auch die intensive Lektüre von Gesetzestexten, parlamentarischen Anfragen und Berichten von NGOs. In diesem Schritt geht es darum, die offen “auf der Straße” liegenden Informationen zu sichten und zu ordnen. Ziel ist es hierbei, dass Journalist:innen sich Fachwissen aneignen, um ihre Informant:innen im nächsten Schritt nahezu auf Augenhöhe befragen zu können.

Schritt 3: Whistleblower:innen, Informant:innen und deren Schutz

Jetzt geht es darum, möglichst viele Aussagen von Betroffenen, Opfern und Expert:innen zu sammeln. Dem Schutz der Informant:innen kommt hierbei eine herausragende Bedeutung zu. Diese sollen vor der Öffentlichkeit, ihren Vorgesetzten und ihren “Feinden” geschützt werden. Journalist:innen müssen hier vor allem bei der Kontaktaufnahme besondere Vorsicht walten lassen.

Schritt 4: Dokumentation, Dokumentation, Dokumentation!

Recherche-Protokolle werden angelegt, bei Bedarf wird auf Datenbanken zu schnellerer Auffindung von Informationen und Fakten zurückgegriffen. Eine chronologische Ordnung hilft dabei, bei Recherchen zu ähnlichen Themen in Zukunft Zeit zu sparen und schneller auf den aktuellen Stand zu kommen.

Schritt 5: Die Geschichte zu Papier bringen

Erst jetzt geht es an das tatsächliche Schreiben der Geschichte. Im Rahmen des investigativen Prozesses hat der Autor eine besondere Stellung, Klenk nennt es die Autorität über das Material. Er allein bestimmt, wie die recherchierten Fakten gewichtet werden und vor allem ab welchem Zeitpunkt seine Ausgangsthese verworfen oder geändert werden muss. Im Schreibprozess kommen auch bereits erwähnte Besonderheiten investigativer Geschichten zum Einsatz, wie der “Held” oder die “Heldin”, die durch die Geschichte führen und die Lösungsvorschläge am Ende der Geschichte.

Schritt 6: Qualitätskontrolle ist das Um und Auf!

Mit Fact-Checking steht und fällt die investigative Geschichte. Eine Berichterstattung möglichst nah an “wahren” Fakten lässt sich am besten dadurch garantieren, dass Fachkolleg:innen und Expert:innen die Geschichte vorab zu lesen bekommen und mit ihrer Expertise dazu beitragen können, nicht gesicherte Informationen zu widerlegen. Rechtlich absichern können sich Journalist:innen dadurch, dass sie die recherchierten Fakten vorab ihrem Anwalt oder ihrer Anwältin zukommen lassen, der dann jedes Faktum einzeln auf Rechtssicherheit prüft. Auch das Redigieren durch die von den recherchierten Fakten betroffenen Personen kann dabei helfen, Unsicherheiten zu reduzieren.

Schritt 7: Promote deine Story

Die beste Geschichte erzielt keine oder nur geringe Wirkung, wenn sie nicht gelesen wird. Dabei kann es sinnvoll sein die Story bereits vorab an bestimmte Multiplikator:innen zu schicken, begeleitende Presseaussendungen zu formulieren und sie auf digitalem Wege zu verbreiten.

Das Spannungsverhältnis zwischen Qualität und Zeit

In der anschließenden Diskussion kamen sehr deutliche Unterschiede in der Arbeitsweise von Journalist:innen und Unternehmenskommunikator:innen zutage: gerade größere Unternehmen, in denen sich mehrere Kommunikationsabteilungen absprechen müssen, kann nicht so schnell auf kritische Fragen reagiert werden, wie sich das viele Journalist:innen schlussendlich wünschen. Diese können aber nicht tagelang auf eine von allen Stakeholdern genehmigte Message warten, sondern stehen (in letzter Zeit sogar noch mehr als früher) unter großem zeitlichen Veröffentlichungsdruck.

Im Herzen “Reformer”

Florian Klenk arbeitete in seinem Vortrag die herausragende Rolle von investigativen Journalist:innen für demokratische Gesellschaften heraus. Im Unterschied zum tagesaktuellen Journalismus geht es den Vertreter:innen, die sich selbst als Watchdogs verstehen darum, durch ihre Berichterstattung Reformen in Bereichen, in denen Missstände herrschen, anzuregen. Investigative Journalist:innen seien keine “Mikrophonständer” der Mächtigen, sie müssen die ihnen präsentierte Wahrheit konstant und laufend hinterfragen. Sie sind „im Herzen Reformer“ und für den demokratischen Prozess eines Staates unverzichtbar.

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