If there is an elephant in the room, you need to introduce him.
Was ist also jetzt mit Hillary Clinton? Am Sonntag verließ die US-Präsidentschaftskandidatin die Feierlichkeiten zum Gedenken an den 11. September frühzeitig – wegen „Überhitzung“, wie ihr Wahlkampfteam angab. Auf einem Amateur-Video ist zu sehen, wie sie kurz kollabiert und von ihrem Bodyguard gestützt werden muss, bevor sie in ihren Wagen steigt.
Aber so wahnsinnig tropisch war es gar nicht an diesem Tag in New York.
Wie also? – Am Abend rückte Clintons Leibärztin aus und erklärte, bei ihrer Patientin sei am Freitag Lungenentzündung diagnostiziert worden, sie nehme Antibiotika. Um sich zu schonen, sagte Clinton für den Wochenbeginn eine Wahlkampfreise nach Kalifornien ab.
Und jetzt kriechen – metaphorisch gesprochen – die Ratten aus den Löchern. Menschen, die Verschwörungsfantasien gut finden, sprechen schon länger von unheilbarer Krankheit. Donald Trump, selbst um 2 Jahre älter, behauptete schon früher, seiner Gegnerin fehle es an „psychischer und physischer Ausdauer“; jetzt schweigt er, und die Medien kommentieren diese Taktik als klug. Der Guardian greift einen älteren Zwischenfall, ein Blutgerinnsel im Gehirn, aus dem Jahr 2012 wieder auf. Ach ja, und wenn der Stoff einmal ausgeht, ist da natürlich auch noch der ohnehin allseits bekannte Email-Skandal. „Die Leute werden nicht aufhören, darüber zu reden.“, sagt James Carville, der schon den Wahlkampf von Clintons Mann Bill geleitet hatte.
Wehret den Anfängen
Aus der Sicht der Medien-Kommunikation ist der Fall klar: Frau Clinton hat ein Problem, weil sie es von Anfang an versäumt hat, darüber zu reden, wie es ihr geht. Der Gesundheitszustand eines Menschen ist eigentlich Privatsache, aber er ist es nicht, wenn man sich um das mächtigste Amt der Welt bewirbt. Eine Präsidentschafts-Kandidatin muss eloquent sein, erfahren, staatstragend – und fit. Deshalb veröffentlichte Barack Obama im Jahr 2008 ein hunderte Seiten starkes Dossier über seine Gesundheit, in dem selbst der Eierstockkrebs seiner Mutter abgehandelt wurde. Auch John McCain ließ sich keineswegs lumpen. Die beiden taten das, um jeglichem Verdacht und Gerede vorzubeugen.
Verdachtsmomente ausräumen im TV-Interview
Die Verschwörungstheorien gegenüber Frau Clinton wuchern deshalb so stark, weil es nie eine Grund-Information dazu gab. Würde es die geben, hätte sie jetzt, da es ihr wirklich nicht gut geht, die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und zu sagen: „Es ist nur ein vorübergehendes Leiden, in ein paar Tagen bin ich wieder am Dampfer, und abgesehen davon geht es mir gut.“ Man würde es ihr glauben. So aber ist sie jetzt einer Flut von Verdächtigungen ausgesetzt, der sie sich kaum erwehren kann.
Im Englischen gibt es das geflügelte Wort vom „Elefanten im Raum“. Damit ist ein stummer, aber wichtiger Vorbehalt im Publikum gemeint, der vom Sprecher möglichst rasch angesprochen („vorgestellt“) werden muss, wenn die Kommunikation Erfolg haben soll. Dies gilt natürlich nicht nur für den Gesundheitszustand einer Präsidentschaftskandidatin, sondern es gilt für alles, was sich zwischen Sie und Ihr Publikum stellt: Wenn ein Elefant im Raum ist, nutzen Sie Ihr nächstes TV-Interview und stellen Sie ihn rechtzeitig vor.
Tun Sie das nicht, werden die Verdachtsmomente, die Verschwörungstheorien und die Phantasien in den Köpfen Ihres Publikums größer. Und sie wirken sich störend auf Ihre Botschaft aus.
- Autor:
- Stefan Schimmel
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- Pixabay.