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  • Power Rhetorik

Einführung ins rhetorische Wachrütteln, mit Günther Öttinger

Zuspitzung richtig gemacht

Frauen, Homosexuelle, Chinesen, Wallonen … die Liste der Menschen, die sich von der Rede des EU-Kommissars Günther Öttinger („Wirtschaft und Solidarität im digitalen Zeitalter – wie sichern wir Europas Zukunft?“, vergangenen Mittwoch in Hamburg) beleidigt fühlen, ist lang. „Schlitzaugen“ kamen vor, die „Pflichthomoehe“ und die Aussage, Frauen könnten ohne Quotenregelung keine Spitzenpositionen erreichen; hier ein kleiner Auszug.

So weit, so peinlich.

Umso größer ist das Erstaunen, wenn man hinter die Kulissen schaut und Günther Öttinger selbst befragt, welche Anliegen er eigentlich in dieser Rede verfolgte. „Ich wollte zeigen, dass in der täglichen politischen Diskussion in Europa sehr wichtige Themen zu kurz kommen.“, steht da zu lesen, und: „Ich habe immer die Haltung gehabt, dass ich die Dinge zuspitze, um die, die zuhören, ein bisschen wachzurütteln.“

Gegen dieses Anliegen ist im Grunde nichts einzuwenden; wenn der Mann das Gefühl hat, im Besitz einer wichtigen Botschaft zu sein, deren Bedeutung sein Publikum seiner Meinung nach in sträflicher Weise nicht sehen will, dann darf er es wachrütteln wollen. Führungskräfte stehen oft vor der Situation, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne einer Idee motivieren zu müssen, die sie für richtig halten.

Die Frage ist nur: wie?

Auf die kürzeste Formel gebracht, könnte man sagen: Zuspitzen ja. Beleidigen nein. Abgesehen davon, dass Respekt im Umgang mit Menschen kein geringes Gut ist, hat Öttinger seine Mittel auch dramaturgisch gesehen falsch gewählt. Wenn ich mein Publikum beleidige, kann mein Anliegen noch so gut sein – ich erhalte als Ergebnis eine Diskussion über meine Beleidigungen, und nicht über mein Anliegen. In der medialen Auseinandersetzung der letzten Tage ging es um den Rassismus des Herrn Öttinger, und nicht um die Zukunft Europas. Und das ist schade.

Man kann sich das Leben als Kommunikatorin oder Redner schwermachen, indem man Zuspitzung mit Beleidigung verwechselt. Eine Zuspitzung ist möglich, ohne andere zu beleidigen. Wenn sie gut gemacht ist, führt sie dazu, dass das Publikum berührt wird und ein tiefes Verständnis für die zur Debatte stehenden Probleme entwickelt. In diesem Sinne würde ich gerne mehr Menschen erleben, die ihr Publikum wachrütteln können, ohne dabei andere abzuwerten.

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