„Defeat device“, Abschalteinrichtung – so nennt sich der kleine, versteckte Stein des Anstoßes, der den Volkswagen-Konzern in Amerika noch einen ganzen Haufen Geld kosten wird. Das ist eine Software, die die Abgase eines Fahrzeugs begrenzt, sobald ein Test durchgeführt wird. Ist der Test vorbei, schleudert das Auto wieder ungehindert Abgase in die Luft. Und ja, Rosen kommen natürlich weder vorher noch nachher aus dem Auspuff – aber ohne diese Begrenzung überschreitet der VW das festgesetzte Schadstoff-Limit um das 40fache.
Seit Samstag wird VW in den USA mit dem Vorwurf konfrontiert, auf diese Weise den Schadstoff-Ausstoß seiner Autos manipuliert zu haben. An die 500.000 Fahrzeuge sollen in die Werkstatt gerufen werden. Am Sonntag hat ein Unternehmenssprecher das Vergehen eingeräumt. Damit hat der Konzern im Augenblick gerade das, was man „die Mutter aller medialen Krisen“ nennen könnte: einen Vorwurf, der auf eigenes, schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist.
Für das Krisentraining haben wir hier (wieder einmal) eine schöne aktuelle Fallstudie, bei der Sie den Ablauf und das Wesen einer medialen Krise studieren können. Im Augenblick befinden wir uns jedenfalls mitten in der sogenannten „stimulativen Phase“, in der die Emotionen hochkochen und die Medien eigentlich artig „danke“ sagen müssten, weil sie Aufmerksamkeit und Spannung des Publikums frei Haus geliefert bekommen.
Klar ist: Eine mediale Krise ist eine Krise des Vertrauens und des Images. Aber nicht nur das eigene Unternehmen, sondern die Branche überhaupt ist davon betroffen. In der „stimulativen Phase“ einer Krise weiten sich die Verdachtsmomente automatisch aus. Die Grünen wollen jetzt wissen, ob solche Manipulationen auch in Deutschland stattfinden, der Experte sagt, die gesamte Dieseltechnologie sei in Amerika in Verruf geraten, und gemeinsam mit VW rasseln auch die Aktien von Daimler und BMW nach unten.
Unterdessen hat Volkswagen-Chef Martin Hinterkorn getan, was zu tun ist: Fehler eingeräumt, Bedauern geäußert, Aufklärung versprochen. „Volkswagen wird alles daransetzen, das Vertrauen seiner Kundschaft wiederzugewinnen.“ Ob das seinen Kopf rettet, wird man noch sehen. Jedenfalls gehe ich hier davon aus, dass er es ernst meint. Aber dass dieses Vorhaben Zeit braucht, ist auch klar. Wenn Sie Ihre Frau oder Ihren Mann betrogen haben und ihr oder ihm versprechen: „Ich tu’s nicht mehr!“, dann wird sich Ihr Wort erst in der Realität bewahrheiten müssen.
Das ist einer der wichtigsten Aspekte des Krisentrainings: Vertrauen kommt mit dem, was Sie sagen. Aber auch mit dem, was Sie tun.
- Autor:
- Stefan Schimmel