In der ersten Halbzeit gegen Schweden fabrizierte er einen kapitalen Fehlpass, der das 0:1 einläutete. In der zweiten Halbzeit – genauer: in der 95. Minute – bügelte er seinen Patzer mit einem sehenswerten Freistoßtreffer wieder aus. Und zog damit in letzter Sekunde den Kopf der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft aus der Schlinge, denn mit dem 2:1-Sieg muss sie nicht vorzeitig vom WM-Turnier abreisen.
Toni Kroos hat es nicht leicht bei dieser WM. Seine Deutschen wurden nach der Niederlage gegen Mexiko als „fetter Kater, behäbig und selbstgerecht“ bezeichnet, die Metapher von der „eiskalten Dusche“ folgte auf dem Fuß, die Headline „Fehlstart“ gehörte noch zu den freundlicheren Berichten nach diesem Spiel. Wenn der regierende Weltmeister bei einer WM schlecht spielt, muss er sich um die beißende Kritik der Medien nicht kümmern.
Nach dem Schweden-Spiel wurde Toni Kroos zum Interview gebeten, und obwohl er die Nachrede des Buhmanns durch seine Leistung abgeschüttelt hatte, schwang die Kritik in den Fragen des Journalisten noch nach: „Lassen Sie uns auch über das Schlechte sprechen – Sie haben so viel Druck aufgebaut und es sich selbst fast zerstört …?“
Bemerkenswert die Reaktion von Toni Kroos: „Es hätte einige Leute gefreut, wenn wir heute rausgegangen wären, aber den Gefallen tun wir denen nicht … Es macht viel mehr Spaß, schlecht über uns zu schreiben, zu reden oder zu analysieren. Es wird uns keiner zum Titel schreiben, wir müssen das selbst machen, das muss von uns kommen.“ Alles, so hat man das Gefühl, ist hier realistisch dargestellt und steht an seinem rechten Platz: die eigene Warte, als auch die Warte der Medien. Ein hoch emotionaler Moment hat sich in eine sachliche, informative Stellungnahme aufgelöst.
Das Tool, das hinter diesem Statement steckt, heißt „Bewertung“. Es hilft Ihnen dabei, sich in einem konfrontativen Interview oder einer Kontroverse (nicht nur in den Medien!) gegen Anfeindungen zur Wehr zu setzen und dabei sachlich und im Sinne des Gesprächs produktiv zu bleiben. Dabei müssen Sie nichts weiter tun, als zur aktuellen Situation des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin realistisch und plausibel Stellung zu nehmen – um dieser Stellungnahme dann die eigene Position entgegenzusetzen.
Dabei musste der „fette Kater“ gar nicht fauchen. Es genügte eine sachliche, verbindliche Antwort, damit das Vertrauen der Fans in einen der besten Spieler der Mannschaft wieder hergestellt war.
- Autor:
- Stefan Schimmel
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