So schnell kann’s gehen. Sicher wusste Yanis Varoufakis im Mai 2013 noch nicht, dass er eineinhalb Jahre später Regierungsmitglied sein würde. Damals trat er als Keynote-Speaker bei einem Kongress in Zagreb auf und sagte dort: „Griechenland hätte bereits im Jänner 2010 Konkurs anmelden – und Deutschland den Stinkefinger zeigen sollen.“ Und er unterstrich das Wort mit der dazu gehörigen Geste.
Heute ist Varoufakis griechischer Finanzminister, und wenn er im deutschen TV-Interview auftritt, werden solche Gesten natürlich ausgegraben und auf den aktuellen deutsch-griechischen Krach umgemünzt – so geschehen in der ARD bei Günther Jauch am Sonntag. Das ist in einem Gespräch mit Menschen, denen man verdammt viel Geld schuldig ist, natürlich nicht angenehm. Aber Varoufakis behauptet nun steif und fest, das Beweis-Video von Günther Jauch sei gefälscht, er habe die Geste gar nie gemacht. Anstatt die Situation zu beruhigen, hat er damit noch mehr Öl ins Feuer gegossen.
Am Tag danach twitterte Varoufakis „seine Version“, in der allerdings ein Unterschied nicht wirklich erkennbar ist. Damit hat sich in diesem Streit jetzt ein „Neben-Kriegsschauplatz“ aufgetan, der vollkommen unproduktiv ist: nämlich die Frage, was Varoufakis in Zagreb nun getan hat und was nicht. Und nachdem er bei den Deutschen bis jetzt schon als „dreist“ gegolten hat, gilt er jetzt dazu noch als „dummdreist“.
Krisenkommunikation: das Gespräch offen halten
Das ist schade, denn mit zwei Dingen hat der griechische Finanzminister recht: Ja, der Stinkefinger war von Günther Jauch aus dem Zusammenhang gerissen. Und ja, man kann Griechenland nicht kaputtsparen. Griechische Kinder werden in der Schule immer wieder ohnmächtig vor lauter Hunger, wie man hört. Und also wäre es richtig, dass man gemeinsam über tragfähige Alternativen nachdenkt, damit die griechische Bevölkerung sich wieder aufrappeln kann und die Deutschen nicht mehr das Gefühl haben müssen, allein deren Schulden zu finanzieren.
Dazu hätte Varoufakis in der Sendung von Günther Jauch nur sagen müssen, dass die Geste unbedacht war und er damit niemanden beleidigen wollte, dass es ihm leid tut, und dass man trotzdem nicht auf das vergessen sollte, was wirklich wichtig ist: eine gemeinsame Lösung für das griechische Schuldenproblem zu finden.
Für das TV-Interview können wir daraus lernen: Eine Provokation kann im Moment effektvoll sein, auf lange Sicht gesehen ist sie eher schädlich. Und im Ernstfall muss das Trouble-Shooting dann sitzen.
- Autor:
- Stefan Schimmel
- Foto:
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