Man nehme jene 35 auf Rinderhaltung spezialisierte Bäurinnen und Bauern des Kärntner Görtschitztales, die ihre Ware derzeit nicht verkaufen dürfen – Schaden: einige Millionen Euro. Man nehme außerdem mehrere tausend im Görtschitztal lebende Menschen, die seit drei Wochen in Sorge leben, dass sie mit ihrer Milch eine Chemikalie namens Hexachlorbenzol (HCB) geschluckt haben, die als hochgiftig und krebserregend gilt.
Schließlich nehme man noch eine Prise der Tatsache, dass es Görtzschitztaler Lebensmittel natürlich nicht nur vor Ort, sondern in ganz Österreich zu kaufen gibt, sowie einen Schuss behördliche Ungewissheit, wie die Chemikalie überhaupt in den Futter-Kreislauf gelangen konnte. Und fertig ist die handfeste mediale Krise der Kärntner Landesregierung.
Aber im Krisentraining sind nun keine Rezepte gefragt, die ein Unglück verschlimmern, sondern solche, die einen gangbaren Ausweg zeigen – bei dem Sorgen wohl ernst genommen, aber auch nicht so strapaziert werden, dass dabei alle Beteiligten in Hysterie verfallen.
Die Kontroverse aushalten
Interessant ist, was in Kärnten in den letzten Tagen von Beteiligten kommuniziert wurde:
Die Behörde hätte eine monatliche Abgasmessung auf HCB vorschreiben müssen. Dann wäre die Umweltbelastung erkannt worden.
(Herwig Schuster, Greenpeace)
Das Wort ‚Gift‘ in Kärntner Milch, Umweltgift in Kärntner Milch und Futter. Damit wusste ganz Österreich über die Umweltkatastrophe Bescheid, Kärnten und das Görtschitztal wurden beschädigt.
(Agrarlandesrat Christian Benger, ÖVP, der übrigens aus dem Görtschitztal stammt)
Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns, noch den Behörden bekannt.
(Berndt Schaflechner, Zementwerk Wietersdorf, am vergangenen Donnerstag)
Wir haben von den Emissionen gewusst, hatten aber keine Vorschreibung, sie zu messen.
(derselbe, am Freitag)
Auch sonst war da übrigens kaum etwas dabei, was zur Beruhigung der Lage hätte beitragen können. Auch die Informationspolitik des Landes Kärnten kam nur langsam und durch den Druck der Öffentlichkeit in die Gänge. Die größte Herausforderung, die in einer medialen Krise zu meistern ist, hat hier niemand angenommen: Die Kontroverse in den ersten Tagen nicht wegzureden, sondern auszuhalten.
Seien Sie sich im Krisenfall bewusst, was die Verunsicherung Ihres Publikums steigert: Mauern, leugnen, nichts sagen, die Schuld bei anderen suchen, Verdacht äußern. Auch wenn die Rechtsabteilung anmahnt, dass Sie sich auf die Werte Ihres Unternehmens zurückziehen – Sie werden damit den Ärger Ihrer Zuhörerschaft nur vergrößern.
Aber wir versuchen im Training auch, bewusst zu machen, was Sicherheit gibt: Verständnis zeigen. Mitgefühl äußern. Informieren, informieren, informieren. Und geben Sie nur gesicherte Informationen, keine Mutmaßungen. Wenn Sie selbst noch keinen genauen Überblick über die Lage haben, müssen Sie die Menschen um Geduld bitten – bis die Vorgänge und Ursachen aufgeklärt sind.
- Autor:
- Stefan Schimmel
- Foto:
- Pixabay.