Beim Stenographieren von Reden werden Füllwörter grundsätzlich ignoriert – als hätte die redende Person sie nie geäußert. In vorproduzierten Radiosendungen werden sie meist herausgeschnitten – als redeten dort alle gestochen mit der Verlässlichkeit eines Uhrwerks.
Wenn Kabarettisten eine in der Politik tätige Person durch den Kakao ziehen wollen, zitieren sie gerne Passagen wie diese: Nun haben wir ... ääh ... der normal verhaltene Bär lebt im Wald und geht niemals ... ääh ... raus. Und ... ääh ... reißt vielleicht ein bis zwei Schafe im Jahr. Ääh ... wir haben dann einen ... ääh ... einen Unterschied zwischen dem sich normal verhaltenden Bär und dem ... ääh ... Problembär.
Soweit jedenfalls Edmund Stoiber vor Jahren in einer Pressekonferenz, in der er den Abschuss des Problembären Bruno rechtfertigte. Solche Statements klingen nicht so gut, und deshalb haben Füllwörter keinen guten Ruf.
Sie gelten als Zeichen von ungenügender Vorbereitung.
Von fehlendem Wissen.
Von Unsicherheit.
Von mangelnder Konzentration.
Als Zeichen einer Sprachstörung.
Oder gar einer persönlichen Marotte, eines Ticks.
Die positive Seite der Medaille
Und doch sind Fülllaute allgegenwärtig, sie kommen beim Sprechen immer vor, und es gibt sie in allen Sprachen, z. B. Englisch: er oder uhm, Französisch: euh, sprich: ööh, Vorarlbergisch: od'r?, Japanisch: anoo – fragen Sie mich nicht, wie Letzteres klingt. Sprechforscher untersuchen das Phänomen seit Jahren, zum Beispiel im Max Planck Institut in Nijmegen. Sie stellen die Frage, ob es eine sinnvolle Absicht der Natur gewesen sein kann, es so einzurichten, dass Menschen sich in der Kommunikation grundsätzlich und weltweit und immer vor anderen zum Ei machen?
Eines ist Fakt: Der Mensch spricht beim Denken und denkt beim Sprechen. Das geht alles gleichzeitig, und natürlich braucht das Gehirn unterwegs manchmal Pausen, um den weiteren Gang der Äußerung zu planen. Wenn diese Pausen mit einem sprachlichen Ausdruck versehen werden, dann entsteht daraus ein „Ähm“.
Das ist, wie wenn Sie dem Publikum zu erkennen geben: Ich denke jetzt gerade. Ich mache deshalb kurz eine Pause. Und dann geht es auch gleich weiter. Sich diese kleinen Pausen zu gestatten, ist wichtig, damit Ihr Denken und Ihr Sprechen in einem produktiven Fluss bleiben. Aber auch Ihr Publikum profitiert davon: Denn auf diese Weise nehmen die Menschen Sie als glaubwürdig und natürlich wahr.
Ganz zu schweigen davon, dass ein Füllwort beim Sprechen eben durch die Verzögerung einen besonderen Effekt setzen kann. Die Forscher in Nijmegen fanden heraus, dass das Publikum auf ein Wort oder einen Gedanken nach dem „Ääh“ besonders gespannt sind.
Also: Füllwörter sollten Sie nur dann abtrainieren, wenn sie beim Sprechen so zahlreich vorkommen, dass sie wie eine Marotte wirken oder sogar die Verständlichkeit stören. Siehe das Beispiel von Edmund Stoiber.
- Autor:
- Stefan Schimmel
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