Sie kennen die beiden Protagonisten. Quentin Tarantino entwickelte seit 1987 als Regisseur, Autor und Produzent zahlreicher Kinofilme einen markanten Stil, der ihm zwei Oscars und weitere wichtige Filmpreise einbrachte. Ennio Morricone gestaltete die Musik zu mehr als 500 Filmen, vielen (ich bekenne: auch mir) gilt er als der beste Komponist von Filmmusik ever, denken Sie etwa an „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „Der Profi“.
Beide sind absolute Kapazunder ihres Faches. Und dann ist noch wichtig zu wissen: Vor drei Jahren haben sie für den Film „The Hateful Eight“ zusammengearbeitet, Morricone gewann für seine Musik zu diesem Film den Oscar, den Golden Globe und den Grammy. So über seinen Arbeitgeber zu reden, wäre also in der Tat einigermaßen undankbar.
Aber es geht ja noch weiter: „Quentin Tarantino kann mich mal.“, lautet der Titel des Interviews. Er sei ein „Kretin“, stand da zu lesen. Er stehle bei anderen. Seine Filme seien „Trash“. Und überhaupt. Die Oscar-Verleihung sei eine „langweilige Veranstaltung“, er habe „keine Lust mehr, in dieses fürchterliche Amerika zu reisen mit diesen aufgeblasenen Wichtigtuern, diesen Peinlichkeiten wie den Oscars und dem ganzen Firlefanz“.
Ennio Morricone hat auf seiner Website dementiert und rechtliche Schritte angekündigt. Und nachdem der PLAYBOY seinen Redakteur zunächst deckte, rudert er nun zurück. „Nach jetzigem Kenntnisstand muss man davon ausgehen, dass das im Interview gesprochene Wort in Teilen nicht korrekt wiedergegeben wurde. Wir bedauern, wenn Herr Morricone dadurch in ein falsches Licht gerückt worden sein sollte.“, so der Chefredakteur Florian Boitin. Die betreffende Seite wurde vom Netz genommen, und der PLAYBOY stellt jetzt seinerseits eine Strafanzeige gegen den verantwortlichen Redakteur.
Was geschieht in der Redaktion mit Ihren Zitaten?
Es gibt glaubhafte Indizien für beide Seiten, und es lohnt nicht, hier zu diskutieren, was nun tatsächlich gesagt worden ist oder nicht; das werden die Gerichte klären. Was allerdings lohnt, ist, genauer hinzuschauen, was Printjournalistinnen und Redakteure eigentlich mit Ihren Aussagen machen dürfen. Was ist erlaubt, und wogegen können Sie sich mit Recht zur Wehr setzen?
Es gibt zwei Arten, wie in Printmedien mit Ihrem Interview umgegangen wird. Entweder es wird transkribiert und so veröffentlicht, wie es tatsächlich stattgefunden hat, gleichsam als „Live-Interview“. Dazu gibt es eine Headline und einen kurzen Text als Introduktion. Manchmal wird die Reihenfolge Ihrer Antworten (natürlich mit den zugehörigen Fragen) ein wenig geändert, um die Spannung des Textes zu erhöhen. Allerdings ist es Usus, Ihnen die Druckfahne zur Autorisierung zuzusenden, bevor das Produkt erscheint. Sie können gegen derlei Änderungen also Einspruch erheben.
Meistens wird aus Ihren Aussagen allerdings ein Artikel in Form eines Lauftextes gestaltet, dann wird eines Ihrer Zitate darin eingebaut. Nehmen wir an, Sie hätten im Interview gesagt: „Ich halte Quentin Tarantino für einen großartigen Regisseur. Ich schätze meine Zusammenarbeit mit ihm sehr.“, dann gäbe es folgende Möglichkeiten, Ihre Aussage im Text umzusetzen:
- „Ich halte Quentin Tarantino für einen großartigen Regisseur. Ich schätze meine Zusammenarbeit mit ihm sehr.“, so Ennio Morricone. (Vollzitat)
- Er halte Quentin Tarantino für einen großartigen Regisseur. „Ich schätze meine Zusammenarbeit mit ihm sehr.“, so Ennio Morricone. (Halbzitat)
- Er halte Quentin Tarantino für einen „großartigen Regisseur“, sagt Ennio Morricone. Er schätze seine Zusammenarbeit mit ihm sehr. (Wortzitat)
- Über seine Zusammenarbeit mit Quentin Tarantino sagt/berichtet/schwärmt/lobhudelt Ennio Morricone: Quentin Tarantino sei ein großartiger Regisseur. Wenn es um künstlerische Höchstleistungen geht, ist für ihn die wertschätzende Beziehung der kreativen Köpfe ein wesentlicher Faktor. (Gewertetes Zitat)
In der letzten Version sehen Sie, dass Ihr Zitat auch bewertet werden darf, etwa damit es besser zur Linie des Artikels passt. Was die Redakteurin oder der Redakteur allerdings nie dürfen: Ihre Aussage verändern. Zum Beispiel schreiben: „Quentin Tarantino ist ein Kretin.“, obwohl Sie gesagt haben: „Quentin Tarantino ist ein großartiger Regisseur.“ Im letzteren Fall, und nur in diesem, dürfen Sie sich rechtlich zur Wehr setzen; in der Rechtssprache nennt man das eine „bewusste Täuschung“ oder „vorsätzliche Verfälschung“, es ist jedenfalls ein Verstoß gegen journalistische Ethik.
In diesem Sinne ist es für Sie immer am besten, wenn Sie ein Zitat, das Sie am nächsten Tag nicht in der Zeitung lesen wollen, einfach nicht so von sich geben.
- Autor:
- Stefan Schimmel
- Foto:
- Pixabay.